„WohWi-Talk“ in Kassel Zusammenspiel zwischen Stadt und Land erforderlich
Nach den erfolgreichen ersten beiden Veranstaltungsrunden in Wetzlar am 8. Mai und in Frankfurt am 29. August fand am 27. September 2018 der dritte und abschließende „WohWi-Talk“ des VdW südwest statt. Anlässlich der bevorstehenden Landtagswahl beleuchtete der Verband mit diesem Format die regionalen Herausforderungen der Wohnungsmärkte in Nord-, Süd- und Mittelhessen und die daraus abgeleiteten Forderungen an die Politik. In Kassel diskutierten Vertreter nordhessischer Wohnungsunternehmen, Landes- und Kommunalpolitiker sowie Dr. Axel Tausendpfund, Vorstand des VdW südwest, die gegenwärtigen Herausforderungen und künftigen Forderungen an die neue Landesregierung.
Tausendpfund und Gastgeberin Britta Marquardt begrüßten in den Räumlichkeiten der Vereinigten Wohnstätten 1889 eG die geladenen Gäste, die Landtagsabgeordneten Ulrich Caspar (CDU), Karin Müller (Bündnis 90/Die Grünen) und Jürgen Lenders (FDP) sowie Patrick Hartmann (SPD) und Violetta Bock (Die Linke), beide Stadtverordnete in Kassel und Kandidaten für die Landtagswahl. Die Runde wurde komplettiert durch Myriam Lamotte-Heibrock von der Kreisverwaltung des Werra-Meißner-Kreises.
In ihren Begrüßungen spannten Marquardt und Tausendpfund den Rahmen für die anschließende Diskussion. Die gegenwärtige politische Debatte in Hessen konzentriere sich vor allem auf die Probleme in den Ballungsräumen Südhessens. Die Herausforderungen in den anderen Landesteilen fielen etwas aus dem Blick. In Nord- und Osthessen stellten sich der Wohnungspolitik andere Herausforderungen als im Süden des Landes. Bei identischen staatlichen Auflagen und vergleichbaren Baupreisen fallen die Mieteinnahmen deutlich geringer aus. Und wo im Süden vor allem Bauland fehlt, müssen im Norden und Osten ländliche Räume gefördert werden. Tausendpfund erwähnte in diesem Zusammenhang die Forderungen des VdW südwest an die neue Landesregierung, zu denen eine verstärkte Förderung des ländlichen Raumes gehöre.
Im Anschluss stiegen die anwesenden Politiker unter Moderation von Detlef Hans Franke in die Diskussion ein. Zunächst wurde die Leistung der gegenwärtigen Landesregierung in der Wohnungspolitik bewertet – zuerst von den Vertretern der Regierungskoalition und darauf folgend von den Vertretern der oppositionellen Parteien im hessischen Landtag. Caspar und Müller gaben der Landesregierung – nicht sehr überraschend – gute Noten in der Wohnungspolitik. Caspar nannte beispielhaft die Vereinfachung der hessischen Bauordnung sowie verstärkte Förderung von bezahlbarem Wohnraum. Auch Müller verwies auf die gestiegenen Fördermittel sowie die Allianz für Wohnen, die alle Akteure an einen Tisch gebracht habe. Im Ausblick auf die nächste Legislaturperiode waren sich beide jedoch einig, dass noch einige Herausforderungen auf die neue Landesregierung warteten.
Bock, Hartmann und Lenders zeigten sich überrascht vom positiven Resümee und zogen – auch dies wenig überraschend – einen gänzlich anderen Schluss. Bock legte den Schwerpunkt auf Sozialwohnungen, von denen tausende aus der Bindung gefallen seien. Sie forderte die Schaffung von 10.000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr. Auch Hartmann wünschte sich eine vermehrte Schaffung von Sozialwohnungen, ohne jedoch die Schaffung von sonstigem bezahlbarem Wohnraum aus dem Blick zu verlieren. Er forderte zudem, Landesliegenschaften verstärkt für den bezahlbaren Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Trotz gestiegener Fördermittel fehlt Lenders die Dynamik im Wohnungsbau. Mit dem Blick auf die Situation in Nordhessen forderte er, die Förderung umzustellen, um die Diskrepanz zwischen Baukosten und Mietzins auszugleichen.
Einen Blick aus der Praxis lieferte Lamotte-Heibrock. Der Werra-Meißner-Kreis ist besonders von sinkenden Bevölkerungszahlen betroffen. Das Ziel müsse sein, dass so wenig Menschen wie möglich abwanderten. Es müssten Bedingungen geschaffen werden, dass Menschen bleiben oder zurückkommen. Zu den diesen Bedingungen gehörten neben Wohnraum auch ein lebendiger Sozialraum und ein guter öffentlicher Nahverkehr.
In der abschließenden Runde zog Tausendpfund Bilanz: Die Leistung der Landesregierung sei nicht so rosig wie von den Vertretern der Regierungsfraktionen dargestellt. 37.000 neue Wohnungen würden pro Jahr in Hessen gebraucht und nur 20.000 fertig gestellt. Dies sei wahrlich kein Durchbruch. Er stimmte zu, dass es bei der hessischen Bauordnung Verbesserungen gegeben habe, jedoch auch Verschlechterungen. Insgesamt sei die Neufassung kein großer Wurf und müsse weiterhin entschlackt werden, auch um einen Beitrag zur Eindämmung der steigenden Baukosten zu leisten. Zudem müsse die Entwicklung des ländlichen Raumes noch stärker in den Fokus genommen werden. Erfreulicherweise hätten alle Parteien die Zeichen der Zeit erkannt und die Förderung des ländlichen Raumes in ihre Wahlprogramme aufgenommen, es gäbe jedoch weiterhin Luft nach oben.